Über den Mut sich zu zeigen
- Miryam-Makeba Armbruster

- vor 2 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Ich äußere mich nie politisch, weil ich von Politik schlicht weg keine Ahnung habe. Ich befasse mich kaum mit dem politischen Weltgeschehen, was nicht bedeutet, dass ich die Augen davor verschließe und resigniere. Im Gegenteil.
Ich erlaube der Politik und dem Weltgeschehen aber nicht, mich ohnmächtig „denen da oben“ gegenüber zu fühlen. Weil ich es schon immer als falsch empfunden habe, wenn sich Menschen übereinander stellen. Weil ich Menschen auf Augenhöhe begegnen will und auch will, dass mir so begegnet wird.
Was ich mache, wenn ich mich nicht mit der Welt da draußen beschäftige ist, dass ich mich mit mir selbst beschäftige. Denn je besser und tiefer ich mich erforsche, meine Triggerpunkte kenne, Verletzungen in mir heile und über mich hinauswachse, desto handlungsfähiger werde ich. Desto resilienter bin ich und desto stärker kann ich dem Weltgeschehen gegenübertreten.
Meiner Erfahrung nach kann unser Zusammenleben friedlicher sein, wenn wir uns von unseren konservierten Denkmustern und starren Ansichten lösen und vom Kopf weiter runter in unser Herz gehen. Unsere Gefühle zulassen, aushalten und fließen lassen. So können sie sich verändern und verändern auch unsere Gedankenwelt, sowie unsere Handlungen. Und letztlich zählt, wie wir gehandelt haben. Und wir sind handlungsfähiger, als wir glauben.
Ein Mensch kann nicht einen mächtigen Politiker stürzen. Aber ein Mensch kann würdevoll und mit Mitgefühl sein Umfeld gestalten. Ein Mensch kann Haltung zeigen, achtsam mit sich selbst und den anderen umgehen und mit ihnen in eine liebevolle Verbindung gehen. Und dieses Verhalten, diese Haltung trägt sich weiter. Weil es das ist, wonach wir uns sehnen. Weil das unser menschlicher Ursprung ist.
Ich habe Demonstrationen gegenüber immer skeptisch entgegen geschaut. Weil ich dachte, ich möchte nicht, dass wir gegeneinander kämpfen, schreien, wüten.
Am Dienstag war ich auf der „Wir sind die Töchter“-Kundgebung in Berlin. Die Worte, die Appelle, die Gedanken und Gefühle der Rednerinnen, die Lieder der Sängerinnen haben mich so tief berührt. So tief ermutigt. Ich habe dadurch erlebt, dass es weniger darum geht, sich gegen einen Politiker zu empören. Dass es mehr darum geht sich zu zeigen, sich nicht weg zu ducken. Sich zu verbinden und FÜR Rechte einzustehen.
Ich war in Berlin, weil ich über meine Ahninnen und Ahnen forsche. Meine Uroma, die ein sehr wichtiger Mensch für mich in meiner Kindheit und Jugend war, ist in Berlin geboren und hat im zweiten Weltkrieg Widerstand geleistet. Es ist für mich heute nicht nachvollziehbar, was sie alles erlebt und durchgemacht hat. Es macht mich demütig ihre Memoiren zu lesen.
Ich habe das Privileg, dass ich in einem Land lebe, das nicht von Krieg betroffen ist. Und ich möchte mein Privileg nutzen, um für Menschenrechte, für Frauenrechte, für Menschenwürde und eine friedliche Welt einzustehen. Es macht mir viel Angst mich zu zeigen, diese Worte zu schreiben und sie öffentlich zu machen. Aber ich will die Angst nicht über mein Leben und meine Handlungen siegen lassen. Denn ich weiß, dass ich mit jedem Satz und jedem Zeichen nach außen, Menschen ermutige. Und wir brauchen uns. Wir brauchen Verbindung. Wir brauchen Kraft. Wir brauchen Zusammenhalt. Und der kann laut auf einer Demo sein, der kann auch leise durch einen liebevollen Blick sein. Egal, wie jeder Mensch seinen Weg findet. Wir sollten uns trauen. Und je mehr wir auf das, was uns verbindet unseren Fokus, unsere Kraft und Aufmerksamkeit lenken, desto mehr gestalten wir die Welt in eine friedliche Richtung.
Es ist klein, es ist mühsam, es braucht Zeit.
Wir sollten uns das wert sein.



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